Die Grünlandtemperatur – Wie Wärme den Takt im Bienenjahr vorgibt
Vor Kurzem stieß ich in der Zeitschrift Bienen & Natur auf einen Artikel, der mich wirklich begeistert hat. Es ging um ein Konzept, das auf den ersten Blick etwas technisch klingt, aber für uns Imker:innen äußerst nützlich ist: die Grünlandtemperatursumme, kurz GTS. Und ich muss sagen: Ich bin fasziniert! Denn die GTS verbindet auf einfache, aber geniale Weise Wetter, Vegetation und das Verhalten unserer Bienenvölker.
Was ist die Grünlandtemperatur?
Die GTS ist ein Maß für die aufsummierte Wärme, die sich im Laufe eines Jahres seit dem 1. Januar angesammelt hat. Dabei wird die Tagesmitteltemperatur eines jeden Tages berücksichtigt – allerdings nur, wenn sie über 0 °C liegt. Kalte Tage zählen also nicht.
Doch das ist noch nicht alles: Die Wintermonate Januar und Februar werden gewichteter einbezogen, weil sich frühe Wärme aufgrund der kurzen Tage und des geringen Sonnenstandes weniger stark auf das Pflanzenwachstum auswirkt. Deshalb gilt für die Berechnung:
- Januar: Tagesmitteltemperatur × 0,5
- Februar: Tagesmitteltemperatur × 0,75
- Ab März: Tagesmitteltemperatur × 1,0
Beispiel:
Am 15. Januar beträgt das Tagesmittel 4 °C → es gehen 2,0 GTS-Punkte ein (4 × 0,5).
Am 20. Februar sind es 6 °C → es zählen 4,5 Punkte (6 × 0,75).
Ab März zählt jeder Grad über null voll.
Diese Summen addieren sich Tag für Tag. Und mit jeder wärmeren Phase im Frühjahr steigt die GTS – bis schließlich der Punkt erreicht ist, an dem Pflanzen beginnen zu blühen oder unsere Bienen verstärkt ausfliegen.
Warum ist das für uns Imker:innen spannend?
Wir alle kennen Faustregeln wie:
„Wenn die Kirsche blüht, kommt der Honigraum drauf.“
Doch wann genau blüht die Kirsche? Das schwankt von Jahr zu Jahr – manchmal Anfang April, manchmal erst Ende April. Der Kalender hilft da wenig.
Die GTS dagegen zeigt uns objektiv, wann sich genug Wärme angesammelt hat, um bestimmte biologische Prozesse auszulösen. Und das ist Gold wert für die Planung unserer imkerlichen Arbeiten!
Hier ein paar Beispiele für typische GTS-Schwellenwerte:
Grünlandtemperatur-Summe (GTS) | Pflanzenart / Phänologisches Ereignis |
---|---|
35–70 °C | Blüte Schneeglöckchen und Winterlinge |
65–120 °C | Krokusblüte, Haselblüte, Winterjasmin |
175–230 °C | Osterglocken klein, Forsythien |
175–260 °C | Weidenkätzchen, frühblühende Kirschen |
275–300 °C | Osterglocken, Austrieb Holunder |
335–380 °C | Vorblüte Birke |
ab 440 °C | Vollblüte frühblühende Magnolien |
365–460 °C | Vorblüte Kirsche |
ab 530 °C | Vollblüte Kirsche, Birke, Vorblüte Apfel |
ab 540 °C | Blattaustrieb Birke, Walnuss und Pappel |
ab 550 °C | Blattaustrieb Apfel, Kastanien Vollblüte |
ab 550 °C | Vollblüte Raps |
ab 580 °C | Vorblüte Flieder |
ab 700 °C | Apfel und Löwenzahn Vollblüte |
Wenn man also weiß, wie hoch die aktuelle GTS in der Region ist, kann man fundierter entscheiden:
- Wann erweitere ich das Brutnest?
- Wann kommt der Honigraum drauf?
- Wann sollte ich mit dem Schwarmtrieb rechnen?
Mehr Natur, weniger Kalender
Was mich an der GTS besonders begeistert: Sie bringt uns weg von starren Kalenderdaten hin zu einer phänologischen Sichtweise – also zu einem Verständnis, das sich an der Natur selbst orientiert. Nicht der 15. April entscheidet, sondern die Temperaturentwicklung.
Man könnte die GTS also recht einfach selbst mitnotieren – oder sich aus Wetterdaten berechnen. Einfache Tabellen, ein Taschenrechner und etwas Geduld reichen aus. Einige Wetterstationen und Agrarportale bieten GTS-Werte an, allerdings leider nicht flächendeckend. Vielleicht tut sich hier in Zukunft mehr – denn es ist total faszinierend.
Mein Fazit: Ein Werkzeug für naturnahes Imkern
Die Grünlandtemperatur ist für mich ein echtes Aha-Erlebnis. Sie gibt einen greifbaren Wert an die Hand, um im Einklang mit der Natur zu arbeiten – statt ihr hinterherzulaufen. Je besser wir als Imker:innen verstehen, wie Temperatur und Vegetation zusammenspielen, desto feinfühliger können wir auf unsere Bienenvölker eingehen.
Vielleicht habt ihr ja auch Lust, euch damit zu beschäftigen? Ich freue mich über eure Erfahrungen – schreibt mir gern in die Kommentare oder per Mail!